Saturday, March 31, 2012

beobachter

Blicke durchs Glas. Neugier und Geheimnis. Abends, wenn ich auf dem Balkon hocke und die letzte Zigarette rauche, sehe ich in die Fenster der Häuser gegenüber. Lauter kleine und große Geheimnisse. Der dunkle Typ, der selbst aus dem Küchenfenster gelehnt an seiner Zigarette saugt. Ds Mädchen in Pose, wahrscheinlich sitzt ihr Freund, für mich unsichtbar, auf der anderen Seite des Tisches und fotografiert sie. Direkt gegenüber, ein Stockwerk tiefer, haben sie Freunde eingeladen und essen und trinken Wein aus schönen Gläsern. An anderen Tagen sitz der Mann an diesem Tisch und näht, meist nur im Slip. Die Kinder eine Etage höher schlafen schon lange. Die Eltern sehen fern, man sieht nur die Köpfe, die dunklen Haare. Im anderen Haus laufen alle Fernseher, alle stehen sie an derselben Wand, einige so groß, dass man mühelos das Programm verfolgen kann. Es flackert und flimmert. Gelbe, blaue und grünliche Wände. Vorhänge werden zugezogen. Erstaunlich viel nackt Haut. Aus der Wohnung unter uns heftiges Stöhnen. Ein letztes Mal, denn die beiden ziehen aus. Eines der vielen Männerpaare hier in der Gegend. Getrennte Wege, einer nach Berlin, der andere nach Hannover. Die Asche meiner Zigarette weht über die Brüstung. Der Aschenbecher ist voll. Ich stehe auf und gehe wieder hinein. Jetzt kann ein anderer bei uns durchs Glas sehen, bis das Licht ausgeht.

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