Friday, March 16, 2012

von großer wichtigkeit

Das Lesben-Schwulen-Toiletten-Problem

08.03.2012 ·  Was tun, wenn eine Drag Queen nach der nächsten Toilette fragt? Der Vielfalts-Fragebogen in einer Ratgeberbroschüre soll den Zehntausenden freiwilligen Helfern der Olympischen Spiele in London den richtigen Weg weisen.
Von Gina Thomas
 
 In Vorbereitung auf die Olympischen Spiele muss auch die Toilettenfrage geklärt werden
Was ist zu tun, wenn jemand nach dem Weg zur Toilette fragt, das Geschlecht dieser Person jedoch schwer auszumachen ist und man in der Verlegenheit steht, nicht zu wissen, ob man die Person zu den Herren- oder Dameneinrichtungen schicken soll? Damit sich die siebzigtausend freiwilligen Helfer bei den Olympischen Spielen in London nicht zu lange den Kopf zerbrechen müssen über dieses und andere geschlechtsspezifische sowie potentiell alters-, rassen- oder glaubensdiskriminierende Dilemmata, haben die Organisatoren ein bemerkenswertes Handbuch erstellt.
Dieses Handbuch enthält einen belehrenden „Vielfalts- und Inklusivitäts“-Fragebogen, der allerdings eine Opfergruppe vergessen zu haben scheint: die Übergewichtigen, die sich gern über „Fatism“ beschweren, als sei es den anderen benachteiligenden „ismen“ wie Rassismus und Sexismus gleichzusetzen.


schwert, dass er neben einem händchenhaltenden Männerpaar sitze, und bittet, dass man interveniere, weil ihm unwohl dabei sei. Solle man dem Zuschauer sagen, er möge aufhören, sich wie ein „homophober Idiot“ zu benehmen? Oder das Paar höflich bitten, nicht mehr Händchen zu halten, damit alle sich wohl und willkommen fü
Bei besagter Toilettenfrage stehen dem Helfer folgende Optionen zur Wahl. Er kann: „a) in Panik geraten - Sie sind nicht qualifiziert, diese Entscheidung zu fällen. Sie erklären höflich, dass Sie es nicht wissen und bedauern, dass Sie nicht behilflich sein können; b) für alle Fälle erklären, wo die Herren-, Damen- und Behindertengerechten-Toiletten sind; c) den Zuschauer höflich fragen, ob er männlich oder weiblich ist, damit Sie ihm den Weg beschreiben können.“ Wie jeder durch das Diktat der politischen Korrektheit halbwegs sensibilisierte Mensch erraten dürfte, lautet die richtige Antwort „b“, wobei hervorzuheben ist, dass das Wort „behindert“ in der englischen Fassung vorsichtig gemieden wird. Die beschönigenden Empfindsamkeitslexika sprechen lediglich von „zugänglichen Einrichtungen“.
Zu den anderen Eventualfällen, für die die olympischen Helfer gedrillt werden, zählt der Zuschauer, der sich behlen? Oder soll man erklären, dass „bei London 2012 eine riesige Vielfalt von Menschen zugegen ist, die homosexuelle, lesbische und bisexuelle Paare umfasst“. Außerdem gibt das Frage-und-Antwort-Spiel Empfehlungen über die Rücksichtnahme auf ältere Kollegen sowie ähnlich selbstgefällige Hinweise über den Umgang mit Ethnizität und mit unsensiblen Bemerkungen über die muslimische Kopfbedeckung. Es ist zu hoffen, dass das schlaue Büchlein anderswo Schutzmaßnahmen und Verhaltensregeln für wirkliche Notfallsituationen verabreicht.


Als Antwort auf die Kritik an dem Fragebogen bekunden die Organisatoren von London 2012 ihre Entschlossenheit, die „inklusivsten Spiele aller Zeiten“ auf die Beine stellen zu wollen. Dass sie in ihrem Handbuch lauter Selbstverständlichkeiten predigen, bestätigt das Ergebnis. Mehr oder weniger 95 Prozent der Freiwilligen hätten die Fragen richtig beantwortet, gesteht ein Sprecher, doch sei es notwendig, sicherzustellen, „dass alle ins gleiche Horn blasen“.
In dieser Haltung spiegelt sich der alles über einen gleichmacherischen Kamm scherende Drang, die Gesellschaft am Gängelband zu führen und das Denken ganz wie in George Orwells Ozeanien durch die moralische und sprachliche Bevormundung zu beherrschen. Allein die Bezeichnung „Games Maker“ (Spielmacher) für die freiwilligen Helfer hat den euphemistischen Beigeschmack des Orwellschen Neusprech, die, wie der Schriftsteller in einem Nachwort zu seiner Satire „1984“ erläuterte, „zur Deckung der ideologischen Bedürfnisse“ des Staates erfunden wird - mit dem Ziel, dass sich ein von seinen Grundsätzen abweichender Gedanke nicht mehr denken lasse. Dieser Geist scheint auch über London 2012 zu schweben.
Quelle: F.A.Z.

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